Die politische Debatte der vergangenen Jahre hat die Unternehmen zwar vorsichtig gemacht. Im Kernnetz, in dem sich Server mit sensiblen Informationen befinden, kommt die Technik von Huawei nicht mehr zum Einsatz oder wird mit der Zeit ersetzt. Beim Zugangsnetz, zu dem die Antennen zählen, ist sie allerdings eingeplant. Die Deutsche Telekom hatte Huawei in internen Dokumenten, die dem Handelsblatt zugespielt wurden, als „Schlüssel für unsere 5G-Pläne“ bezeichnet.
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Nun werden die Mobilfunkanbieter ihre Pläne womöglich ändern müssen. Huawei wird zwar nicht pauschal vom deutschen 5G-Netz ausgeschlossen. Doch das Unternehmen wird es schwer haben, die Sicherheitskriterien zu erfüllen, die die Regierungsfraktionen nun beschlossen haben.
Kontrolle durch eine fremde Regierung gilt als Ausschlusskriterium
Die Huawei-Gegner in den Reihen von SPD und Union haben sich in fast allen Punkten durchgesetzt. Der Entwurf, den die Regierung an den Bundestag übermittelt hat, wurde in den parlamentarischen Beratungen erheblich verschärft. Nun sehen die Abgeordneten die Bundesregierung gefordert, eine Entscheidung zum Umgang mit den chinesischen Netzausrüstern Huawei und ZTE zu treffen.
Zulässig seien künftig nur noch Hersteller, die sowohl eine technische als auch eine sicherheitspolitische Prüfung überstehen, sagte der Berichterstatter der Unionsfraktion, Christoph Bernstiel. „Mit diesem zweistufigen Verfahren können wir unsere digitale Infrastruktur effektiv vor Spionage, Sabotage und politischer Einflussnahme autoritärer Staaten schützen.“
Auch wenn die Koalition versichert, dass das Gesetz „anbieterneutral“ gefasst sei, bilden die zentralen Bestimmungen des IT-Sicherheitsgesetzes speziell für Huawei ein hohes Hindernis.
So kann das Bundesinnenministerium künftig die Verwendung von „kritischen Komponenten“ untersagen, „sofern der Einsatz voraussichtlich eine Gefahr für öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt“. Eindeutige Beweise, die es im Geschäft der Nachrichtendienste selten gibt, sind nicht erforderlich, um den Einsatz bestimmter Bauteile zu verhindern.
Netzausrüster müssen dem Innenministerium kritische Komponenten melden
Das Genehmigungsverfahren läuft so: Netzausrüster müssen künftig dem Bundesinnenministerium melden, wenn sie eine kritische Komponente eines Lieferanten erstmals verbauen wollen. Das Innenministerium hat dann im Regelfall zwei, bei einer besonders schwierigen Prüfung auch vier Monate Zeit, um anhand unterschiedlicher Kriterien über eine Untersagung zu entscheiden.
Zu diesen Kriterien zählt, ob der Technologieanbieter direkt oder indirekt von der Regierung eines anderen Landes kontrolliert wird oder ob er bereits an Aktivitäten beteiligt war, die Deutschland und seinen Verbündeten in EU und Nato geschadet haben. Zudem fordert das Gesetz, der Einsatz der kritischen Komponente müsse „im Einklang mit den sicherheitspolitischen Zielen“ stehen.
Das Parlament gebe damit eine klare Grundlage für die Beurteilung vor, sagte der zuständige SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann. „In Verbindung mit einer niedrigen Eingriffsschwelle ergeben sich deutliche Anreize für die Hersteller, unser Recht und unsere Interessen in der IT-Sicherheit zu achten.“
Die 5G-Technik gilt als sicherheitsrelevant, weil die Industrie damit viele Fertigungsprozesse steuern will.
(Foto: Bloomberg)
Die 5G-Technik gilt als sicherheitsrelevant, weil die Industrie damit viele Fertigungsprozesse steuern will.
Der Bundesnachrichtendienst BND hatte die Regierung in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass Huawei wegen umfassender Zugriffsrechte der chinesischen Sicherheitsbehörden auf Unternehmen nicht als vertrauenswürdig gelten könne.
Auch das Auswärtige Amt argumentierte in den internen Beratungen der Bundesregierung, dass von chinesischer Technologie Risiken ausgingen, die sich allein durch technische Sicherheitsmaßnahmen nicht beherrschen ließen. „Entscheidend war für mich, dass Hersteller kritischer Infrastrukturen einer sicherheitspolitischen Überprüfung unterzogen werden“, sagte Außenminister Heiko Maas nun dem Handelsblatt. „Denn Technologien, die tief in sensible Bereiche unseres Lebens eingreifen, müssen vertrauenswürdig sein.“
Telekom-Lobbyisten blitzen in letzter Minute ab
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vertrauter, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, wollten hingegen mit aller Macht diese politische Prüfung verhindern – aus Sorge um das Verhältnis zu China und aus Angst vor Gegenmaßnahmen. Der chinesische Botschafter in Berlin, Wu Ken, hatte offen damit gedroht, dass Peking einem Ausschluss von Huawei „nicht tatenlos zuschauen“ werde.
Die scharfen Regeln, die nun beschlossen wurden, sind für Merkel eine empfindliche Niederlage – umso mehr, weil in der kommenden Woche Regierungskonsultationen mit China stattfinden. Diese drohen nun von der Huawei-Debatte überlagert zu werden.
Das Gesetz gibt der Regierung sogar die Möglichkeit, die Entfernung schon verbauter Komponenten anzuordnen. Merkel wird davon mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Gebrauch machen. Eine Kanzlerin Annalena Baerbock könnte das womöglich aber schon tun. Die Grünen sehen China äußerst kritisch.
Die USA, die ihre Verbündeten eindringlich vor einer Zusammenarbeit mit chinesischen Netzausrüstern warnen, begrüßten die neuen Vorschriften. Das Gesetz schaffe einen Rahmen für den Schutz von Sicherheit, Privatsphäre und Menschenrechten, mit dem „nicht vertrauenswürdige Anbieter identifiziert und von 5G-Netzen ausgeschlossen“ werden könnten, sagte ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin. Die US-Regierung ermutige ihre Partner, die „gesetzlichen Bestimmungen zu nutzen, um zu verhindern, dass risikoreiche Anbieter die Sicherheit bedrohen“.
Auf die Telekomkonzerne könnten Milliardenkosten zukommen
In der Wirtschaft wird dagegen scharfe Kritik laut: Das Regelwerk schaffe nach einem „bizarren Gesetzgebungsprozess“ eine Kombination aus technischer Zertifizierungsmaschinerie und politisch-regulatorischem Gutdünken“, erklärte der Verband Bitkom, dem die drei großen deutschen Netzbetreiber wie auch 1&1 angehören. „Rechts-, Planungs- und Investitionsunsicherheiten werden als Kollateralschäden in Kauf genommen, vor allem mit Blick auf den 5G-Netzausbau“, heißt es in einer Mitteilung.
Lobbyisten der Telekom hatten bis zuletzt versucht, das Gesetz zu verwässern. Sie verschickten vor der finalen Sitzung des Innenausschusses E-Mails an mehrere Abgeordnete mit Formulierungsvorschlägen, um die Verschärfungen zum Regierungsentwurf wieder zurückzudrehen. Dia Koalitionsabgeordneten ließen den Konzern aber abblitzen.
Angesichts der hohen Investitionen in die Netze sei es „nur natürlich, dass wir klare und transparente Regeln für den Schutz dieser Investitionen brauchen“, erklärte ein Telekom-Sprecher. „Wir stehen, wie alle Netzbetreiber, seit Jahren im Dialog mit Politik und zuständigen Behörden. Dabei ging es auch um die Frage von Entschädigungen.“
Die Telekom, Vodafone und Telefónica müssen das Risiko, dass Huawei ausgeschlossen wird, nun deutlich höher gewichten als bisher. In Regierungskreisen wird damit gerechnet, dass auf die Unternehmen Kosten in einstelliger Milliardenhöhe zukommen.
Nun kommt es für die Unternehmen auf die genaue Ausgestaltung des Gesetzes an. So soll eine Verordnung regeln, welche Teile genau als „kritische Komponenten“ gelten. Diese dürften künftig nicht nur im Kernnetz, sondern auch im Zugangsnetz mit Basisstationen und Sendemasten zu finden sein. Der Grund: Beim Standard 5G verlagert sich immer mehr Datenverarbeitung in die Außenbereiche der Netzarchitektur.
Noch nicht geklärt ist die Frage der Entschädigung
„Die Zertifizierung und Anmeldung von Komponenten darf den Ausbau der dringend benötigten digitalen Infrastruktur in Deutschland nicht ausbremsen“, fordert Telefónica Deutschland. Die Liste der kritischen Komponenten müsse „auf objektiven und fest definierten Kriterien“ beruhen. „Dafür stehen wir im aktiven Austausch mit den zuständigen Behörden.“
Die Deutsche Telekom erklärte, dass sie sicherheitskritische Komponenten seit langem vor dem Einbau und laufend im Betrieb teste. Eine Prüfung durch die Behörden müsse mit einem zügigen Netzausbau vereinbar sein – dafür brauche es pragmatische Prozesse. „Vieles hängt von der Anwendung der rechtlichen Regelungen durch die zuständigen Behörden ab.“
Noch nicht geklärt ist außerdem, wie die Unternehmen entschädigt werden sollen, wenn die Regierung einen nachträglichen Ausbau von Komponenten anordnet. Die Koalition befürworte zwar eine ermessensbezogene Entschädigungsregelung für diese besonderen Fälle, sagte SPD-Berichterstatter Hartmann. Dafür aber hätte der Bundesrat mit einbezogen werden müssen, „das hätte die Verabschiedung des gesamten Gesetzes innerhalb dieser Wahlperiode gefährdet“.
Wegen der langwierigen Beratungen innerhalb der Bundesregierung sei die Zeit zu knapp geworden. Die Entschädigungsfrage müsse daher nach der Bundestagswahl angegangen werden, so Hartmann.