Eigentlich hat sich Musk als großer Befürworter von Kryptowährungen gezeigt. Erst am 8. Februar hatte Tesla bekanntgegeben, Bitcoin zum Kauf seiner Elektroautos zu akzeptieren. Außerdem habe der Konzern 1,5 Milliarden Dollar seiner Cashreserven in die Kryptowährung investiert. Das galt als wichtiger Schritt für den Bitcoin auf dem Weg zu einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz.
Mit der Nachricht traten Tesla und Musk einen regelrechten Bitcoin-Boom los: Allein am 8. Februar legte der Kurs um fast ein Fünftel zu auf mehr als 46.000 Dollar. Das Handelsvolumen stieg dabei um 50 Prozent.
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Anschließend kletterte der Bitcoin unter Schwankungen bis Mitte April auf sein gegenwärtiges Rekordhoch von 64.863 Dollar. Die Marktkapitalisierung kletterte um rund zwei Drittel auf 1,186 Billionen Dollar. Vor dem jüngsten Musk-Beben schien sich der Bitcoin auf einem Niveau von 55.000 Dollar stabilisiert zu haben.
Auch andere Kryptowährungen profitierten von dieser Entwicklung: Der Wert aller Digitalwährungen zusammen stieg nach Teslas Bitcoin-Einstieg binnen drei Monaten um fast 120 Prozent auf zuletzt 2,5 Billionen Dollar.
Dogecoin-Kurs halbiert sich
Allerdings hat Musk bereits vor einigen Tagen einer Kryptowährung zugesetzt – zumindest indirekt: Am Samstag hatte sich der Tesla-Chef in der TV-Show „Saturday Night Live“ über die jüngste Rally des Dogecoin lustig gemacht. Zwar lobte er die Digitalwährung auch als „Zukunft“, die die Weltherrschaft übernehmen werde, der Kurs brach aber ein und hat sich inzwischen fast halbiert.
Der Dogecoin ist eigentlich als Parodie auf den Bitcoin gegründet worden. In diesem Jahr stieg die Scherzwährung aber in der Spitze um 15.000 Prozent – auch weil Musk die Rally auf Twitter anheizte und den Dogecoin unter anderem als „Kryptowährung des Volkes“ bezeichnete. Zwischenzeitlich war der Dogecoin die nach Marktkapitalisierung viertgrößte Cyberdevise.
Musks Kehrtwende bei der führenden digitalen Währung Bitcoin kam dennoch überraschend – und sorgte für extreme Ausschläge: Die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen brach in der Spitze um rund 450 Milliarden Dollar ein, zuletzt stabilisierten sich die Verluste auf rund 300 Milliarden Dollar.
Die zweitgrößte Kryptowährung Ether sackte um rund zehn Prozent auf 3676 Dollar ab. Doge verlor gut ein Viertel an Wert und kostete 36 Cent. Als Grund für seinen Meinungsumschwung nannte der schillernde Tesla-Chef kurzerhand seine Sorge über „den vermehrten Einsatz von fossilen Brennstoffen für das Bitcoin-Mining“.
Über den Energieverbrauch bei der Herstellung (Mining) von Bitcoin wird seit Langem leidenschaftlich diskutiert. Tech-Investorin Cathy Wood, die in Tesla investiert ist und sich regelmäßig mit Musk austauscht, veröffentlichte erst im April eine Studie mit der These, dass Bitcoin ein zentraler Treiber von erneuerbaren Energien sei. Woods Investmentfirma Ark hat die Studie gemeinsam mit dem Bezahldienst Square erarbeitet. Square, geführt von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey, bietet ebenfalls Kryptotransaktionen an.
Musk hatte der These auf Twitter Ende April noch zugestimmt. Was ihn nun zum Umdenken bewogen hat, ließ er offen. Am Donnerstag legte der Tesla-Chef mit einem Tweet nach. Er teilte eine Grafik der Cambridge University zum deutlich gestiegenen Energieverbrauch und nannte die Entwicklung „verrückt“.
Einige Investoren in den USA erklären sich den Schwenk als eine Reaktion Musks auf die Debatte um die Klimabilanz des Bitcoins: „Die logischste Begründung ist, dass er sich unter Druck fühlte“ von Leuten, die meinen, dass „man nicht zugleich grün sein und Kryptowährungen besitzen kann“, sagte der bekannte US-Investor Michael Terpin – und fand die Haltung „wenig durchdacht“.
Auch auf der Onlineplattform Reddit erntete Musk für seine Entscheidung heftige Kritik. „Das ist ja mal eine fantastische Due Diligence“, echauffierte sich ein Nutzer. Es sei schließlich kein Geheimnis, dass das Bitcoin-System viel Energie verbrauche. „Das spiegelt Teslas schlechtes Management wider und scheint sehr amateurhaft“, schrieb ein anderer.
Viele wunderten sich, wie viel Einfluss Musk auf den Bitcoin-Preis ausüben kann. „Elon ist ein zweischneidiges Schwert“, stellte ein Nutzer klar. Ein anderer offenbarte, dass er gerade eine Stunde vor Musks Ankündigung seinen ersten Bitcoin gekauft habe und nun auf 10.000 Dollar Kursverlusten sitze. „Ich werde nie einen Tesla kaufen. Ich habe gerade auch alle meine Dogecoins auf den Markt geworfen“, erklärte ein anderer.
Diskussion um Energiebedarf
Längst nicht alle teilen die These über den Bitcoin als Katalysator für erneuerbare Energien. Die digitale Währung steht schon seit Jahren für ihren hohen Energieverbrauch in der Kritik. Die Schaffung von Bitcoin durch das sogenannte „Schürfen“ oder „Mining“ erfordert enorme Rechenleistung und damit Energie.
Forscher des Center for Alternative Finance der Universität Cambridge schätzen, dass die Computer, die Bitcoin-Transaktionen organisieren, insgesamt etwa 134 Terawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Das entspricht etwa einem Viertel des Stromverbrauchs in Deutschland oder dem gesamten Verbrauch Pakistans mit seinen mehr als 200 Millionen Einwohnern. Zwar werden dafür immer stärker regenerative Energien genutzt, wie Befürworter der Technologie argumentieren. Doch Kritikern geht das nicht weit genug.
Island beispielsweise galt lange als Vorreiter, was nachhaltiges Mining angeht, wegen des Überflusses an Geothermie, Wasser- und Windkraft war grüner Strom in Massen vorhanden. Doch nationale Behörden melden nun, dass der nordische Stromüberschuss, zu dem auch Norwegen und Schweden beitragen, voraussichtlich schwinden wird, da andere Branchen auf die erneuerbaren Energien angewiesen sind. Zudem ist China, wo die meisten Coins geschürft werden, hauptsächlich auf Kohle angewiesen.
Grund für das hohe Energieaufkommen ist das „Proof of Work“-Konzept, mit dem die Miner die Blockchain, also die Buchhaltung des Systems, fortschreiben. Je mehr Miner sich beteiligen, desto höher der Stromverbrauch. So steht der Trend hin zur Digitalwährung im krassen Kontrast zum Jahrhundertziel der Finanzbranche, zur Abwendung der Klimakatastrophe durch bedachte Investitionen beizutragen.
Die Bank of America verglich Bitcoin-Emissionen zuletzt in einer Analyse mit denen von ausgewählten Unternehmen und Organisationen. Sie kam zu dem Schluss, dass nur der Ölkonzern Exxon und die US-Regierung mehr CO2-Ausstöße verursachen.
Wie viele Kunden in den vergangenen Wochen ihre Teslas mit Bitcoin bezahlt haben, ist unklar. Der Autobauer werde „keine Bitcoin verkaufen“, versicherte Musk. Kryptowährungen „sind aus vielen Gründen eine gute Idee, und wir glauben, dass sie eine vielversprechende Zukunft haben. Aber es kann nicht zulasten der Umwelt geschehen.“
Besonders die aus Kohle gewonnene Energie missfällt Musk. Und die ist gerade in China besonders verbreitet, wo ein Großteil der Miner sitzt.
US-Börsenaufsicht warnt vor Bitcoin
Allerdings scheint Musk sich nicht endgültig vom Bitcoin verabschieden zu wollen: Sobald die Herstellung von Bitcoin überwiegend mithilfe nachhaltiger Energien erfolge, „planen wir, Bitcoin wieder für Transaktionen zu nutzen“, sagte er. Zudem sei er auf der Suche‧ nach einer alternativen Kryptowährung zum Bitcoin, die weniger als ein Prozent der Energie pro Transaktion verwende.
So halten manche Analysten Musks Verhalten denn auch für bewusst überzogen: „Es könnte sein, dass der Ausverkauf den Weg für neue Rekorde des Bitcoins ebnet“, meint David Grider vom Analysehaus Fundstrat Global Advisors in New York. „Wir halten die Nachricht für übertrieben und würden uns nicht wundern, wenn Tesla demnächst ankündigte, Kryptowährungen grüner machen zu wollen.“ Grider hält an seinem Kursziel von 100.000 Dollar für den Bitcoin fest.
Die US-Börsenaufsicht SEC verfolgt Musks Engagement in der Kryptowelt genau. Der Ausnahmeunternehmer hat wie kein anderer CEO Einfluss auf die Preise der digitalen Währungen.
Dass ein einzelner Akteur mit einem Tweet Milliarden an Marktwert schaffen oder vernichten kann, ist ein neues Phänomen, auch für die Aufseher. Die große Rally bei den Kryptopreisen hatte zuletzt auch immer mehr Banken dazu bewogen, Kryptoprodukte anzubieten, weil diese von den Kunden stark nachgefragt wurden.
Regulierer sehen den Bitcoin vor allem als ein Instrument für Geldwäsche, Erpressung und als Spekulationsobjekt mit hohen Risiken. Vor allem US-Finanzministerin Janet Yellen könnte eine härtere Gangart einschlagen. Schon bei ihrer Anhörung für die neue Position sagte sie: „Kryptowährungen sind besonders besorgniserregend.“ Und: „Ich denke, viele werden – zumindest im Sinne von Transaktionen – hauptsächlich für illegale Finanzierungen verwendet.“ Zudem warnte Yellen jüngst, dass der Bitcoin eine „äußerst ineffiziente“ Methode zur Durchführung von Transaktionen sei.
Die SEC, die seit Kurzem von dem Kryptoexperten Gary Gensler geführt wird, hatte indes erst am Dienstag eine Warnung für Anleger herausgegeben. Bitcoin sei ein „hochspekulativer“ Vermögenswert. Anleger, die in Fonds investierten, die mit Bitcoin-Futures unterlegt seien, könnten sich möglicherweise mehr Risiken aufladen, als sie glauben. Auch der „Totalverlust“ müsse wie bei allen Investments einkalkuliert werden. Musks folgenreiche Umkehr könnte als weiterer Beleg dafür gewertet werden.