Über gute und schlechte Hilfe am Beispiel der “Pinky Gloves”
Als ich mir das erste Mal ein Tampon einführte, war ich nicht allein. Meine Mutter kniete vor mir und erklärte mir angestrengt und aufgeregt, dass ich ruhig und entspannt sein sollte. Dann ging’s los, Beine spreizen und schon war’s reingeschoben. Es war beruhigend, eine Expertin an der Seite zu haben. Eine, die Hilfestellung geben konnte und offensichtlich wusste, wie es läuft. Hilfe ist gut, wenn sie kommt, weil sie benötigt wird. Und anstrengend, wird sie aufgezwungen, obgleich kein Bedarf besteht. Und wie störend und unangenehm wird es mit der Hilfe erst, kommt sie von Menschen, die weder Ahnung haben, noch Fachwissen besitzen. Und damit vielleicht sogar alles schlimmer machen.
Hilfe ist gut, wenn sie kommt, weil sie benötigt wird. Und anstrengend, wird sie aufgezwungen
Ein konkretes und aktuelles Fallbeispiel: zwei Männer entwickeln ein Hygieneprodukt.
Genauer: André und Eugen erzeugen einen Einmalhandschuh, treten bei der TV Show “Die Höhle der Löwen“ auf und finden einen Investor.
Die Problematik der “Pinky Gloves”
Expliziter: Zwei nicht-menstruierende, da cis-geschlechtliche Männer, bringen knallpinke Latexhandschuhe heraus, die menstruierenden Personen helfen sollen, ihre anderweitigen Hygieneprodukte diskreter zu entsorgen, ohne sich selbst oder die Produkte dabei berühren zu müssen.
Die “Pinky Gloves” wurden geschaffen, um erst das vor Blut strotzende Tampon aus der Vagina herauszuholen und es daraufhin mitsamt des Handschuhs auf links zu ziehen. Das Ergebnis ist ein kleines, niedliches Päckchen, das mit dem angebrachten Klebestreifen versiegelt wird. So bleiben die verpackten Hygieneprodukte (Binden gehen auch) geruchsneutral und auslaufsicher verräumt und können entspannt und unerkannt im nächstmöglichen Mülleimer entsorgt werden. Außerdem in der Packung enthalten: ein zweiter Handschuh, mit dem anschließend das neue Tampon eingeführt werden kann (dieser kann dann ebenfalls in den Müll). Die Idee: kein händischer Kontakt mit dem Tampon (falls das Waschbecken fehlt), kein Verstauproblem (falls die Entsorgungsmöglichkeit fehlt), keine Peinlichkeiten (weil unsichtbar verpackt), also: keine Probleme, maximale Flexibilität (zum Beispiel auf Festivals, in fremden Wohnungen, der Natur).
Der Versuch, aus der Menstruation etwas zu machen, das diskret, verstohlen und vor allem spurlos erledigt werden muss, ist ein richtig großes Problem.
Hier die Probleme der Reihe nach:
Ja, fehlende Mülleimer, fehlende Hygienebeutel und gar fehlendes Wasser sind manchmal ein reales Problem. Pink gefärbte und dadurch überteuerte Produkte sind allerdings auch ein reales Problem (diese unfaire Preisgestaltung wird als “Pink Tax” bezeichnet). Warum hat der Handschuh keine neutrale Farbe?
Dass die Handschuhdesigner von diesem Marketingtrick profitieren wollen, ist ein Problem. Die Kapitalisierung der Periode ist außerdem ein Problem. Das Heraufbeschwören von vermeintlichen Problemen, um deren Lösung zu verkaufen, ist ein Problem.
Einmalprodukte sind sowieso ein großes Problem.
Der Versuch, aus der Menstruation etwas zu machen, das diskret, verstohlen und vor allem spurlos erledigt werden muss, ist ein richtig großes Problem.
Ausflüsse und Menstruationsblut hingegen sind keine Probleme und müssen nicht mit medizinisch wirkenden Utensilien behandelt werden.
“Pinky Gloves”: Wem wird hier eigentlich “geholfen”?
“Pinky Gloves” sind viel mehr als ein unnötiger Artikel im Katalog der nutzlosen Waren. Sie sind ein Paradebeispiel für mangelndes Bewusstsein, fehlende Selbstkritik, Profitgier und vor allem: Mansplaining. Es ist ein Beispiel für Ignoranz und diese unbegründete Selbstverständlichkeit, mit der sich Männer als Experten ereifern – und das selbst bei Themen, Vorgängen und Prozessen, mit denen sie nichts zu tun haben. Die sie weder studiert, erlernt, erfahren oder erlebt haben. Ein typischer Gestus der Macht und nicht hinterfragter Privilegien. Und in diesem Fall führte es zu einem Produkt, das Ressentiments, Zweifel, Abscheu und veraltete Ideologien verfestigen, gar reproduzieren vermag.
Es ist ein Beispiel für Ignoranz und diese unbegründete Selbstverständlichkeit, mit der sich Männer als Experten ereifern – und das selbst bei Themen, Vorgängen und Prozessen, mit denen sie nichts zu tun haben.
Denn fragen wir uns, wem hier eigentlich Hilfestellung durch den pinken Einmalhandschuh geboten wird. Der Verdacht liegt nahe, dass “Pinky Gloves” viel eher für die Nicht-Menstruierenden erschaffen wurde – für diejenigen, die nicht mit der Periode konfrontiert werden möchten. Für die, die sich eine Periode wünschen, die diskret, geruchsneutral und unsichtbar behandelt wird. In anderen Worten: heimlich, schambehaftet und stigmatisiert. Keine ekligen, stinkenden, blutigen Überraschungen im Mülleimer, lieber ein bisschen harmloses Pink – wirkt doch gleich wesentlich steriler, sauberer, hygienischer.
Menstruierende Menschen brauchen Verbündete, kein Mitleid
Menstruierende Menschen brauchen keine Hilfe in Form von exorbitant kostspieligen, den Planeten vermüllenden Gummihandschuhen. Es gibt bereits fantastische Produkte, die tatsächlich das Leben erleichtern. Etwa die nachhaltige Periodenunterwäsche von Ooia, erdacht von den zwei Gründerinnen Kati Ernst und Kristine Zeller, die dafür übrigens ebenfalls schon bei “Höhle der Löwen“ um ein Investment warben – und dabei leer ausgingen.
Sie brauchen auch kein Mitleid von sich dazu berufen fühlenden Gründern, die sich laut eigener Aussage nicht einmal “ausreichend und richtig mit dem Thema auseinandergesetzt” haben, wie sie jetzt in einem reaktiven Statement angaben. Es gibt Aktivist:innen, Entwickler:innen, Forscher:innen (usw.), die uns mit ihrem Wissen und ihrer Arbeit zur Seite stehen und deren Überlegungen wesentlich interessanter (weil fundiert) und erkenntnisbringender sind.
Nicht falsch verstehen: menstruierende Menschen brauchen praktische Unterstützung. Der Kampf wird nicht allein geführt. Doch was wir brauchen sind Verbündete. Wir brauchen Männer, die sich gegen Beschämungen, gegen Diskriminierung und für die Enttabuisierung der Menstruation engagieren. Wir brauchen diese Männer, weil Männer leider gern auf Männer hören. Wie sie das tun sollen? Ich werde sie an dieser Stelle nicht an die Hand nehmen. Werde meine Hilfe nicht aufzwingen.