Es geht angesichts der kritischen Gesamtlage fast ein wenig unter. Aber für Niklas Stark persönlich ist 2020/21 keine schlechte Saison. Nach schwierigen eineinhalb Jahren, die im Januar 2020 in einem Wechselwunsch gipfelten, hat der U-21-Europameister von 2017 die Kurve bekommen. Er hat sich wieder festgespielt im Team: unter Bruno Labbadia über weite Strecken der Hinrunde im defensiven Mittelfeld, seit dem Fehlen von Dedryck Boyata (Mittelfußverletzung) im Abwehrzentrum.
Vom belgischen Nationalspieler hat Stark in dessen Abwesenheit nicht nur den Platz in der Innenverteidigung übernommen, sondern auch die Kapitänsbinde. Von dem Ende Januar beurlaubten Labbadia gab es für Stark im Verlaufe der Hinrunde mehrfach Lob für “eine sehr gute Entwicklung – man sieht, dass Niklas jetzt körperlich in einem ganz anderen Bereich ist als in der Phase, als wir gekommen sind (April 2020, d. Red.)”.
Spielersteckbrief Stark
Stark Niklas
Auch Labbadias Nachfolger Pal Dardai kann sich auf den Mann, der in Dardais erster Amtszeit im Sommer 2015 vom 1. FC Nürnberg nach Berlin gewechselt war, verlassen. Dennoch verlangt der Ungar noch mehr von seinem aktuellen Abwehrchef: “Ich hab’ zu ihm gesagt, er soll nicht übermotiviert sein. Er muss ruhiger Entscheidungen treffen. Niklas ist manchmal noch zu ungeduldig im Stellungsspiel. Ein Innenverteidiger muss nicht immer gleich den Ball erobern. Er muss Wege zumachen und auf den richtigen Moment warten, um anzugreifen. Ein Innenverteidiger muss mehr klären, köpfen und Schüsse blocken, als Bälle zu erobern. Wenn er nicht sofort den Zweikampf sucht, sondern ruhiger verteidigt, wird er noch besser.” Darüber sprach der Coach mit Stark zuletzt auch auf dem Trainingsplatz.
Generell freilich ist Dardai “zufrieden mit Niklas – durch seine Schnelligkeit, Passgenauigkeit und technische Ausbildung ist er ein guter Innenverteidiger. Stark hat sich zweifellos aus seinem Leistungsloch herausgekämpft. Im August titelte der kicker: “Stark sucht seinen Platz – und sich selbst.” Die Suche war einigermaßen erfolgreich, auch wenn Herthas missliche Gesamtlage im Moment wenig Raum für individuelle Erfolgsgeschichten lässt. Nur neun Bundesliga-Minuten verpasste Stark in dieser Saison bislang, länger stand kein Hertha-Profi auf dem Platz. Am Mittwoch sprach der deutsche Nationalspieler in einer digitalen Medienrunde über…
…seine Einsatzbilanz: “Das ist ganz angenehm, aber nicht das Wichtigste. Ich hätte lieber ein paar Punkte mehr auf dem Konto und dafür die eine oder andere Minute weniger gespielt. Aber klar bin ich froh, dass ich so lange auf dem Platz gestanden habe.”
…die Erfahrungen als Sechser: “Ich sehe mich für die nächsten Spiele erstmal auf der Innenverteidiger-Position. Was das Trainerteam dann entscheiden wird, ist abzuwarten. Ich hau’ auf jeder Position alles rein. Es waren wichtige Minuten für mich auf der Sechs, um ins Spiel zu kommen und den Blick für den Sechser zu bekommen. Das ist als Innenverteidiger nie verkehrt, dass man mal eins nach vorn rückt und den Raum besser sieht als als Innenverteidiger. Man hat dadurch einen anderen Blickwinkel.”
…seinen neuen, alten Trainer Pal Dardai: “Pal ist Pal, er hat sich nicht viel verändert. Er ist ein Fußballer. Er weiß, wie es uns geht, was wir brauchen und worauf es ankommt. Ich habe volles Vertrauen zu ihm. Er sieht uns und weiß genau, was in unseren Köpfen steckt. Das gehen wir jeden Tag im Training an.”
…Dardais Empfehlung, Stark müsse geduldiger werden: “Ich weiß, was er meint. Manchmal will ich zu sehr den Ballgewinn, damit wir dann schnell nach vorn spielen können. Da soll und muss ich manchmal ein bisschen gelassener sein. Ich sehe es genauso wie er. Manchmal muss ich ein bisschen ruhiger bleiben. Das wird umgesetzt.”
…Herthas Situation: “Wir werden alles reinhauen, um den Abstieg zu verhindern. Jeder kann die Tabelle lesen. Jeder weiß, dass es jetzt um Punkte geht. Jeder hat den Willen, da unten rauszukommen. Deshalb werden wir die nächsten Spiele so angehen, dass wir Punkte mitnehmen – egal wie. Wenn Schönspielen nicht geht, müssen wir auch mal dazwischenhauen. Wichtig sind jetzt die Punkte. Danach muss sich jeder richten.”
…die vielen Trainerwechsel: “Es ist natürlich nicht einfach, sich immer auf neue Sachen einzustellen. Der eine möchte es so, der andere so. Es ist natürlich erstmal was Neues, wo man über Tage und Wochen rausfinden muss, wie der Trainer es haben will. Aber jetzt ist egal, was in der Vergangenheit war und wieviele Trainer wir hatten: Wir sind jetzt in der Situation, in der wir sind. Das Wichtigste ist, dass wir das sehen und annehmen und das Beste daraus machen. Und das Beste daraus machen ist am Wochenende punkten.”
…die überraschenden Punktgewinne der Konkurrenten: “Ich versuche, nicht ganz so viel auf die Tabelle zu schauen. Ich bin der Meinung, dass wir vor allem auf uns schauen sollten und uns weiterentwickeln müssen. Aber natürlich – wenn die unten punkten, schaut man schonmal nach. Wir müssen realistisch sein und die Tabelle sehen, um zu wissen, was wir in der Situation jetzt brauchen, um da rauszukommen. Wir sehen und wissen, in welcher Situation wir stecken.”
…die Schwäche bei Standards: “Ich glaube, dass wir es defensiv in den letzten Spielen nicht schlecht gemacht haben. Aber wir haben natürlich in Stuttgart (1:1, Gegentor nach einem Freistoß; d. Red.) ein blödes Tor kassiert. Da hat uns Stuttgart gelockt mit einem kleinen Trick, das hätten wir besser verteidigen können. Ansonsten haben wir uns da defensiv in den letzten Spielen stabilisiert. Aber im Ganzen sind es zu viele Gegentore nach Standards. Da müssen wir an uns arbeiten und wuchtiger reingehen. Wenn man mehr gelaufen ist, wird es auch schwerer, Ecken zu verteidigen. Und wenn man Sicherheit hat und den Gegner auch mal laufen lässt, ist es leichter, nach Ecken Tore zu machen. Wir alle müssen uns ankreiden, dass wir ein bisschen wenig Tore nach Standards gemacht haben, auch ich.”
…Neuzugang Sami Khedira: “Er soll sagen, was er auch von draußen sieht und man auf dem Platz vielleicht übersieht. Er hat sehr, sehr viel gesehen, hat sehr viele Spiele gemacht. Er ist eine Respektsperson, jemand, auf dessen Wort man hört. Ich vertraue darauf, dass er auch mal Sachen sieht, die ich vielleicht übersehe. Da kann er auch von außen helfen. Er kann dem Spiel auch von außen seinen Stempel geben.”
…seine Aussage nach dem Bremen-Spiel (Stark hatte im TV-Interview auf die Frage, ob die Mannschaft noch zu Trainer Labbadia stehe, gesagt, das sei nicht seine Sache und nicht seine Entscheidung; d. Red.): “Ich war relativ überrascht, was danach geschrieben wurde. Ich bin meiner Meinung nach nie jemandem in den Rücken gefallen. Ich weiß nur, dass man bei solchen Fragen immer etwas Bestimmtes hören will. Deshalb wollte ich mich eher aus der Sache raushalten und wenig sagen. Genau das wurde mir dann vorgehalten. Das war überhaupt nicht so gemeint. Ich wollte mich in der hitzigen Situation direkt nach dem Spiel, das wir verloren hatten, erstmal raushalten. Bruno Labbadia hat hier gute Arbeit geleistet. Leider war sie am Ende nicht von Erfolg gekrönt.”
…das Spiel gegen RB Leipzig am Sonntag: “Wir haben es uns in den letzten Spielen verdient, auch mal wieder etwas Glück zu haben. Wir haben gute Ansätze gezeigt, und wir brauchen jetzt auch mal eine Belohnung. Leipzig ist ein starker Gegner. Aber warum sollten wir nicht punkten? So gehen wir in das Spiel rein.”