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Trendyol-News: Türkisches Firma könnte bald Decacorn werden

In trockenen Tüchern ist der Deal noch nicht. Doch den Beteiligten ist klar: Trendyol wird bald ein sogenanntes Decacorn sein, also ein Start-up mit einer Bewertung von mehr als zehn Milliarden US-Dollar. Davon gibt es in Deutschland nur eines, nämlich das Softwarehaus Celonis, das mit rund 11,1 Milliarden US-Dollar bewertet ist. Käme die Finanzierung zustande, wäre Trendyol dann hinter dem Bezahlanbieter Klarna und vor dem Konkurrenten Checkout das zweitwertvollste Start-up Europas.

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Trendyol profitierte von einem Boom im Onlinehandel in der Türkei seit Beginn der Pandemie, der allein im Jahr 2020 um zwei Drittel zugelegt hatte. Der Bruttowarenwert des Unternehmens, eine Umsatzgröße in dem Sektor, hatte sich binnen drei Jahren verzwanzigfacht und dürfte dieses Jahr zehn Milliarden US-Dollar erreichen.

Fünf türkische Einhörner und Rekordsummen für kleinere Tech-Firmen

Serkan Ünsal, der den türkischen Blog Startup.watch betreibt, sieht jetzt die Zeit für noch höhere Bewertungen gekommen. Er hat zehn türkische Start-ups identifiziert, die schon bald eine Bewertung von einer Milliarde US-Dollar oder höher erreichen können. Altan Küçükçınar, Vizepräsident im „Venture Capital Council“ der türkischen Handelskammer Tobb, glaubt an eine Trendwende im türkischen Tech-Sektor: „Wir hoffen, dass die Investitionsbereitschaft auch aus dem Ausland durch die in den letzten Monaten hoch bewerteten Investitionsrunden zunehmen wird.“

Der türkische Spieleanbieter Dream Games ist nach einer Finanzspritze in Höhe von 155 Millionen Dollar bereits mehr als eine Milliarde Dollar wert. Der ultraschnelle Lebensmittellieferant Getir, der jetzt auch nach Deutschland expandiert, kommt auf 7,5 Milliarden Dollar, der Amazon-Konkurrent Hepsiburada auf 4,2 Milliarden Dollar. Hinzu kommen der Modelieferant Trendyol sowie der Spieleanbieter Peak Games, womit die Anzahl türkischer Einhörner derzeit bei fünf liegt.

Auch kleinere türkische Tech-Start-ups freuen sich über viel neues Geld. Junge, wachsende Unternehmen in der Seed- und Aufbauphase haben im zweiten Quartal dieses Jahres so viele Investitionsgelder angezogen wie in den vergangenen zehn Jahren insgesamt. Waren es von 2011 bis Ende 2020 insgesamt 736 Millionen US-Dollar Wagniskapital, so betrug die Summe allein im zweiten Quartal dieses Jahres 746 Millionen US-Dollar. Im gesamten ersten Halbjahr flossen sogar mehr als 1,2 Milliarden US-Dollar an Wagniskapital, ein großer Teil davon kam aus dem Ausland.

Der Staat macht es Gründerinnen und Gründern leicht

Während Chinas Techbranche in den Würgegriff der kommunistischen Führung in Peking geraten ist und deutsche Gründer gegen die etablierten Konzerne der alten Deutschland AG anzukommen versuchen, setzt die türkische Regierung schon länger auf die Innovationskraft junger Tech-Firmen.

So ist es laut Doing-Business-Index in der Türkei vergleichsweise leicht, ein neues Unternehmen zu gründen. Die Regierung lockt zudem mit Steuererleichterungen. Mehr noch: Wer eine von 919 von Ankara geförderten neuen Technologien oder entsprechende Produkte entwickelt, der bekommt zusätzlich Büroräume gestellt und Unterstützung vom Staat für das Forschungsbudget.

In Schlüsselbranchen wie dem Militär ist es der Staat selbst, der neben den etablierten Firmen auf die Innovationskraft junger Techkonzerne setzt. Die Firma Baykar, deren Kampfdrohnen der Türkei in drei Kriegen Siege beschert haben, ist gerade einmal vor fünf Jahren in die Entwicklung der unbemannten Flieger eingestiegen. Die Drohnen können es mit denen aus Israel und den USA aufnehmen. Neben Katar, Marokko und der Ukraine haben auch die EU-Mitglieder Polen und Lettland Interesse angemeldet.

Bei der Entwicklung eines batteriegetriebenen Automobils setzt Ankara auf ein ganz neu gegründetes Unternehmen: Togg soll die Türkei in das E-Auto-Zeitalter führen – und das binnen weniger als fünf Jahren.

Schlussendlich sorgen die Bürgerinnen und Bürger selbst dafür, dass die Türkei zum Tech-Biotop geworden ist. Die junge Bevölkerung ist digitalaffin, alle haben ein Smartphone, für fast alles gibt es eine App. Selbst der Staat bietet den Großteil seiner Dienstleistungen über die eigene App „eDevlet“ an – von der Steuererklärung bis zum Impfpass. Beschwerden über die fortschreitende Digitalisierung gibt es keine.

Gründerin Demet Mutlu wollte eigentlich an der Harvard Business School einen MBA-Studiengang absolvieren, als sie im Jahr 2009 in ihr Heimatland Türkei reiste. Doch sie stellte fest, dass es dort noch keinen E-Commerce-Händler für Modeprodukte gab. Das war zu der Zeit, als Zalando und Amazon in Europa ihren Siegeszug begonnen hatten.

Ohne Abschluss verließ sie die Eliteuniversität, gründete Trendyol und baute das Unternehmen innerhalb eines Jahrzehnts zu einem großen Konzern aus. Seit 2018 beliefert das Unternehmen auch den deutschen Markt.

Experten sehen zehn weitere Einhorn-Kandidaten in der Türkei

Die anstehende Milliardenfinanzierung bei Trendyol belegt, dass jetzt auch ausländische Investoren die Türkei entdeckt haben.

Experten sehen eine ganze Reihe türkischer Start-ups, die schon bald die Milliardenbewertung knacken können. Darunter Modanisa, ein Anbieter für konservative Frauenkleidung. Auch Insider, eine Softwareplattform für das Management von E-Commerce-Seiten, könnte ebenfalls bald die Milliardenmarke knacken. Neben den türkischen Online-Spieleherstellern Fugo, Good Job Games, Alictus und Ace Games sehen Beobachter wie Ünsal Potenzial bei dem Modeanbieter Vivense, der bisher knapp unter der Milliardenmarke liegt, sowie beim Zahlungsanbieter Paycore, dem E-Scooter-Anbieter Marti und der Meditations-App Meditopia.

Cem Sertoglu, Partner beim deutschen Wagniskapitalgeber Earlybird, ist da skeptischer: „Daten zur Finanzierung von Start-ups in kleineren Ökosystemen wie der Türkei können irreführend sein, da einzelne große Investments alles verzerren können“, erklärt er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Der Exit von Peak Games im Wert von 1,8 Milliarden US-Dollar, an dem Earlybird beteiligt gewesen war, sei dafür ein gutes Beispiel.

Lokale Mittel zur Start-up-Finanzierung seien in der Türkei immer noch klein und unzureichend für den lokalen Bedarf. „Aber auch das geht in die richtige Richtung“, glaubt Sertoglu. „Die gute Nachricht hinter den Zahlen ist, dass die Türkei mit einer Rekordliquidität in der Technologie im Frühstadium die gebührende Aufmerksamkeit von globalen Investoren erhält.“